Knapp eine Woche nach den Bundestagswahlen trafen sich in Berlin bei den Bündnisgrünen Delegierte aus allen Bundesländern beim Kleinen Parteitag, dem so genannten Länderrat. Mit dabei war Michael Gerr als Delegierter für Bayern. Neben einer Aussprache zum Wahlergebnis wurde ein Antrag zur Erneuerung der Politik beschlossen und das Sondierungsteam bestätigt. Da Michael Gerr kein Glück bei den gelosten Redebeiträgen hatte, veröffentlicht er die geplante Rede auf seiner Homepage.
An meine Grünen – anstelle einer Rede beim Länderrat:
„Meine lieben Grünen,
es heißt das Parlament ist diverser geworden. Auch bei uns Grünen. Erstmals ist eine Frau mit sichtbarer Behinderung in den Bundestag gewählt worden. Ich gratuliere dazu Steffi Aeffner herzlich. Das ist eine Chance für mehr Sichtbarkeit im Parlament. Das gilt, auch wenn die Repräsentation von Menschen mit Behinderungen immer noch recht dünn ist, bei allen Fraktionen und leider auch bei uns Grünen.
Mit der größten Fraktion, die wir je hatten, besteht nicht nur die Chance hart an der Begrenzung des Klimawandels zu arbeiten, es ist auch die Chance für Grüne in einer Regierung in allen Politikfeldern an Profil zu gewinnen. Dazu gehören auch Felder, die im Wahlkampf keine große Rolle spielten.
Im Programm haben wir viele konkrete Maßnahmen beschlossen, deutlich konkreter als die FDP und auch die SPD. Bitte verhandelt möglichst viele gut und konkret und nicht nur mit Allgemeinplätzen in einen Koalitionsvertrag.
Für die Behinderten- und Inklusionspolitik möchte ich euch als Sprecher der BAG Behindertenpolitik folgende Punkte mitgeben, ich nenne nur drei Bereiche:
Lasst und den Arbeitsmarkt inklusiver gestalten. Dazu gehört nicht nur die Ausgleichsabgabe zu erhöhen, sondern auch Alternativen zu den Sondersystemen wie den sogenannten Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Selbstbestimmung und Vielfalt sind grüne Grundwerte. Lasst es uns konkret machen mit mehr Teilhabe und weniger Ausgrenzung bei der Arbeit. Erster Punkt.
Als zweiten Punkt nenne ich ein umfassendes Barrierefreiheits-Gesetz. Hier braucht es klare Regeln und Fristen für Private Dienstleister, aber auch für die Bundesbahn. Wie kann es denn sein, dass der Einstieg in Bahnen für Leute, die einen Rollstuhl nutzen, nur in bestimmten Zeitfenstern ermöglicht wird?
Und drittens erwarten Betroffene, dass es klare und konkrete Fortschritte bei der Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention gibt. Lasst uns hier die Idee der Einrichtung einer Enquete-Kommission in die Verhandlungen einbringen, die im Bundestag den Stand der Umsetzung prüft und Vorschläge macht.
Überhaupt ist es wichtig, dass wir betroffene Akteure deutlich ernster nehmen und beteiligen. Die Liga Selbstvertretung, ein Zusammenschluss von Behindertenverbänden, hat Vorschläge für einen Koalitionsvertrag formuliert, darunter eine 100-Tage-Agenda mit schnell umsetzbaren Maßnahmen. Bitte lasst uns auch diese Vorschläge in die Verhandlungen einbeziehen.
Mit Steffi zusammen stehen wir als Expert*innen in eigener Sache bereit.
Lasst uns etwas Gutes auf den Weg bringen, gut fürs Klima, gut für Selbstbestimmung, gut für eine diverse und inklusive Gesellschaft.“